Von unseren (inneren) Kindern und dem Bedürfnis gesehen zu werden!
Kinder wollen gesehen werden.
Sofort kommt mir der Gedanke an laut rufende Stimmchen die bekunden, dass sie zum ersten Mal die steile Rutsche ausprobieren wollen, natürlich unter Zeugen. Strahlende Kinderaugen, die Papas oder Mamas Blick suchen, weil zum Ersten mal die obersten Stufe der Treppe erklommen wurde. Kleine Händchen die an Rockzipfeln ziehen und ihr selbst gemaltes Bild zeigen wollen.
Nun denken wir Erwachsenen und stolzen Eltern vielleicht: 'Unmöglich, dass dieses Bedürfnis nicht gestillt ist. Unser Kind wird mit Aufmerksamkeit überhäuft.'
Das mag auch stimmen. Rutscht unser Kind, bekommt es ein herzhaftes „super“. Hat es die oberste Stufe der Treppe erreicht, klingt es lautstark „gut gemacht“. Zeigt es sein selbst gemaltes Bild, folgt ein kräftiges „toll“.
Doch trotz all dem kann es sein, dass unsere Kinder immer noch das Bedürfnis haben gesehen zu werden. Dass ihre Stimmen nach dem tausendsten “toll gemacht” immer noch energischer werden und wir die Rufe schon kaum mehr ertragen können.
Wie ist das möglich? Sollte das Bedürfnis nicht irgendwann gestillt sein und das Kind zufrieden einer Beschäftigung nachgehen können?
Der Grund warum wir uns solche Fragen stellen, liegt darin wie wir erzogen und sozialisiert wurden.
Wir wurden belehrt, bewundert, beklatscht, beratschlagt, erhielten Lob oder/und Kritik. Wir wurden in allem was wir taten bewertet.
Wir brauchen alle Anerkennung, wenn sie von Herzen kommt. Wir brauchen alle ehrliches Feedback, wenn es mit bester Absticht gegeben wird. Doch vor Allem brauchen wir Menschen, die uns mit allem was zu uns gehört sehen. Jenseits von richtig oder falsch, gut oder böse, stark oder schwach. So kann sich unsere Selbstgefühl entwickeln. So entsteht ein gesunder Selbstwert.
Fehlt uns diese wichtige Zutat kommt es für gewöhnlich zu der einen oder anderen Nebenwirkung. Das können Versagensängste oder Überheblichkeit sein. Das können Schuldgefühle oder das Gefühl eines Mangels sein. Es kann auch der Glaube, Liebe wäre an Leistung geknüpft sein.
Unsere Welt ist leistungsorientiert. Bewertungen sind unser täglich Brot. Die meisten unserer Kinder wachsen auf mit konkurrierenden Sportarten, Noten in der Schule und ständigen Vergleichen. Sie passen ihre Sprache an, konzentrieren sich auf ihre Leistung und werden süchtig nach Bewertungen.
Doch wir können etwas tun. Wir können trotz all der Einflüssen, oder gerade deswegen, unsere Kinder sehen, so wie sie sind.
Wünschen wir uns nicht, dass unsere Kinder schon morgens verschlafen in den Spiegel sehen und sich dabei anlächeln!? Dass sie in sich ruhen und sich als Individuen wertvoll empfinden!? Dass ihnen etwas misslingt und sie trotzdem wissen: Ich bin wundervoll und werde geliebt wie ich bin?!
Wenn wir das nächste mal den suchenden Blick unserer Kinder sehen werden wir wissen, dass so viel mehr als der Wunsch nach Bewertung in ihm steckt. Dann können wir forschen und erkennen. Wir können aussprechen und begleiten.
Schaffen wir es dann tatsächlich immer wieder unseren Kindern diesen Herzensblick zu schenken, werden wir nicht nur ihnen ein großes Geschenk machen. Nein, wir trösten auch gleichzeitig ein kleines bisschen unser eigenes innere Kind.
‘Du siehst mich.
Du siehst mich oben auf der Rutsche und stellst fest, dass ich ganz schön aufgeregt bin. Einen Atemzug brauche ich noch, um mich zu trauen.
Du freust dich mit mir, dass ich die oberste Stufe unserer Treppe erreicht habe, denn du weißt, dass der Aufstieg anstrengend war und mich einiges an Kraft gekostet hat. Es sind deine Arme die mich zu sich nehmen als ich erschöpft zu Boden sinke.
Du bemerkst, dass ich meine Lieblingsfarben verwendet habe beim Zeichnen des Bildes. Es ist ein besonderes Geschenk und du hängst es auf um dich daran zu erinnern.
Ja, du siehst mich und dann fühle ich mich wertvoll. Einfach weil ich da bin.'